Kleine plattdeutsche Geschichten und Gedichte (in ostfriesischem Plattdeutsch)

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      Hinni und das Warten  (Wörtliche Übersetzung der plattdeutschen Geschichte ins Hochdeutsche.)

In meinem Leben habe ich so manchen Menschen kennen gelernt, der immer nur am Warten war, bis sich von selbst etwas ändert, die alles an sich herankommen ließen. Aber mit meinem Enkelkind Hinrich, oder Hinni, wie er genannt wurde, war das eher umgekehrt, er konnte nicht warten, er war, als kleiner Junge, so unruhig und zappelig, dass ich manchmal dachte, der lernt das Warten und Abwarten ein Leben lang nicht.
Zum Beispiel: An einem kalten Wintertag sagte ich zu Hinni, als er wieder von einem Fuß auf den anderen trampelte und ich schon wieder etwas ahnte: „Warte mal noch ein paar Tage, bevor Du zum Galgentief gehst, das Eis ist sicherlich noch nicht fest, wir haben erst drei Tage starken Frost gehabt.“ Aber an demselben Nachmittag brach er schon im Tief durch das Eis und steckte bis zum Bauch im Wasser und für seine Freunde war es sehr schwierig, ihn wieder an Land zu bringen.

Sag mal, Hinni, kannst Du nicht vorsichtig erst einmal an der Kante probieren, ob das Eis auch wohl fest genug ist?“, fragte ich ihn, „Du hättest ja auch unter das Eis gleiten können, ungeschickt, wie Du bist.“
Aber er hatte ja noch Glück gehabt, dass das Unglück hier mit einer kräftigen Erkältung ausgegangen war.
Auch beim Mittagessen, und besonders wenn es Suppe gab, war er häufig so ungeduldig: „Warte noch etwas,“ sagte ich dann jeweils, „die Suppe ist noch zu heiß, Du verbrennst Dir den Mund.“ Aber meistens war es dann schon zu spät.
Wenn seine Freunde nachmittags draußen auf ihn warteten, dann „flog“ er häufig so aus dem Haus, ohne nachzudenken und ich hatte wieder zu beanstanden: „Es ist noch zu kalt draußen, warte Hinni, ich hole Dir eine Jacke.“

Da war fast jeden Tag etwas, worüber ich mir Gedanken machte, und ich konnte ihm nicht beibringen, vorsichtiger an die Dinge heranzugehen, bedauerlich, wie es war.
Du springst von einem Ast auf den anderen“, sagte ich, „Du musst lernen geduldiger zu warten: Erst hast Du Tischler gelernt und wieder aufgegeben, dann hast Du Autoschlosser gelernt und Dich gleich mit dem Meister angelegt. Wie soll das bloß weiter gehen, mit Dir ?“
Er sah mich etwas traurig an und sagte: „Warte nur Opa, eines Tages will ich Dir beweisen, dass auch ich warten kann.“
Ich hatte Hinni ja sehr gern, auch mit all seinen Problemen. Gerne wollte ich ihm helfen zurecht zu kommen, im Leben.

Das ist mit ihm dann, im Laufe der Jahre, auch eine ganze Menge besser geworden, das muss ich zugeben. Er hat seine Gesellenprüfung und später auch die Meisterprüfung dort doch noch gut bestanden und hat letzten Endes auch eine gute Arbeitsstelle gefunden. Das sah ganz gut aus!

Aber als er dann etwas älter wurde, und die Zeit kam, dass er fast jede Woche ein anderes Mädchen im Arm hatte, machte ich mir Sorgen, er würde wohl niemals die richtige Frau finden, so rau und grob ging er mit den liebsten Mädchen um. Ich sehe heute noch die traurigen Augen von so einem lieben Mädchen vor mir, wenn er ihr wohl wieder vor den Kopf gestoßen hatte.

Als er dann auf die dreißig Jahre zu ging und er spät in der Nacht wieder so ein unschuldiges, niedliches Mädchen mit nach Hause gebracht hatte, nahm ich ihn mir am nächsten Tag vor und fragte ihn vorsichtig: „Wie ist das mit Dir Hinni, kannst Du nicht allmählich auch einmal an eine feste Verbindung denken, oder so?“
Opa!“, sagte er zornig, „ all die Jahre hast Du mir zwei- dreimal in der Woche erzählt, ich sollte erstmal das Warten lernen und nicht gleich alles fest machen, nun bin ich viel vorsichtiger geworden, und ich kann auch viel besser abwarten und nun ist das auch wieder falsch? Es ist auch verdammt schwer, es Dir recht zu machen!“
Oh, oh, dachte ich, nun bist du wohl zu weit gegangen, aber dann konnte ich gerade noch sehen, dass er anfing zu grinsen, bevor er sich schnell wegdrehte. (Ich sollte das wohl nicht sehen) --- Aber ich wusste nicht, was das Grinsen sollte?!“
Als er sich wieder zurückdrehte, sagte er (etwas altklug) : „Tscha Opa, so ist das oft mit den älteren Leuten im Leben, Du hast wieder einmal den Nagel genau auf den Kopf getroffen; meine neue Liebe, Anne, ist die Tochter meines Chefs, so wird das sicherlich eine sehr feste Verbindung werden und gerade gestern Abend konnten Anne und ich nicht mehr warten!?“


       Johannes de Vries

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Anmerkung:
Die Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit, auch der Namen, mit lebenden Personen wäre rein zufällig und ist nicht beabsichtigt.

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Lees un schriev ok Platt, dat lehrst du glatt!