Kleine plattdeutsche Geschichten und Gedichte (in ostfriesischem Plattdeutsch)

..zurück zur Hauptseite
..zurück zur Titel-Übersicht

..zurück zur plattdeutschen Geschichte

Wenn beim Wattwandern der Nebel kommt.     (Wörtliche Übersetzung der plattdeutschen Geschichte ins Hochdeutsche)

Ich muß so um die zwölf Jahre alt gewesen sein, als ich, bei schönem Sommerwetter, zusammen mit meinem Freund Harm und meinem Bruder Fritz mit dem Fahrrad nach Norddeich fuhr. Mein Bruder saß vorne auf der Stange und fragte mir "ein Loch in den Bauch". Zuerst sollte ich ihn nicht mitnehmen, er war ja noch so klein. Fritz war fünf Jahre jünger als ich und er tat mir leid, weil er nirgends mit uns hinfahren durfte. Aber ich wollte ja gut auf ihn aufpassen, dafür hatte ich Mutter mein Wort gegeben. Niemandem allerdings hatte ich erzählt, dass wir vorhatten, nicht nur nach Norddeich, sondern auch ins Watt zu gehen, sonst hätte meine Mutter uns sicher nicht weggelassen.
Für Muscheln und alles, was ich sonst noch finden wollte, hatte ich einen Beutel hinten drauf.
Wir fuhren,
rechts von Norddeich, fast bis zum „Roten Pfahl“, (oder „De Roo-Paal“, wie das auf dem Stein steht) weil dort der Schliek nicht so tief war. Unsere Fahrräder ließen wir an einem Haus, unten am Deich stehen, mein Vater sagte immer: „Da stehen die Räder sicherer als auf dem Deich, weil dort, an dem Haus, ja immer jemand ist oder sein kann.“
Ich wusste, von Opa aus der Zeitung, dass es ablaufendes Wasser war und dass wir noch fast zwei Stunden Zeit hatten, bis das Wasser wieder zurückkam.
Die ersten hundert Meter nahm ich Fritz auf meine Schultern, denn hier sackten Harm und ich bis an die Knie in den weichen Schliek, aber dann wurde es langsam besser und auch Fritz wollte selbst laufen, da gab es für ihn so viel zu sehen und herauszufinden. „Warum ist das Wasser denn alles weggelaufen?“, fragte er. „Das hängt mit dem Mond zusammen“, wusste Harm und ich sagte: „Der Mond hat das Wasser auf seinem Weg mitgezogen und der bringt es auch langsam wieder mit, wenn er wieder zurückkommt.“
Hier und da waren auch noch andere Jungens und Mädchen unterwegs und du konntest, an dem Herumalbern und -toben hören, dass sie alle miteinander viel Spaß hatten.

An den ersten Prielen wollten wir nach Schollen (Butt) suchen. „Erkennen kannst du die Plattfische unter Wasser nur an den zwei Nasenlöchern, weil sie sich immer gut einbuddeln,“ erklärte ich Fritz. Harm hatte mit einem Stock bald einen gefunden und musste nun versuchen, von oben darauf zu treten. Einmal wäre ihm das auch fast gelungen, aber dann konnte er das unangenehme Gefühl unter dem Fuß wohl nicht aushalten und er hat ihn doch wieder losgelassen. Ich hatte schon bald zwei kleine und eine größere Scholle in meinem Beutel, die hin und wieder noch am Zappeln waren. Der kleine Fritz hatte das beobachtet und fragte: „Leben die noch?“ Ich sagte: „Ja, die leben noch ein wenig.“ „Dann lass' sie uns man lieber wieder laufen lassen,“ meinte Fritz. „Nein“, sagte ich, „laufen nicht, die können nur schwimmen aber die kommen heute Abend zu Hause noch in die Pfanne und werden aufgegessen.“ Das war Fritzi ganz und gar nicht nach dem Sinn. Er hatte zwei schöne Seesterne und einige Muscheln gefunden, meistens waren das die dunkelblauen. Miesmuscheln wurden sie genannt. Mutter warf sie immer in einen großen Topf mit heißem Wasser mit ein paar Zwiebeln darin und dann öffneten sie sich von selbst und du konntest das graugelbe Fleisch herauspulen und aufessen. Die schmeckten sehr gut.

So waren wir eine ganze Zeit am Suchen und Buddeln und kamen immer weiter weg von dem Deich aber wir hatten ja mindestens noch eine Stunde Zeit, bis das Wasser langsam wieder zurückkam. Aber was wir nicht mitbekommen hatten, war, dass, von Norderney her, langsam ein dichter Seenebel wie ein Tuch über das Watt heran gekrochen kam. Das war zuerst auch nicht richtig zu sehen aber man konnte die Feuchtigkeit fühlen und dann hatte uns der Nebel mit einem Mal zu fassen und ich konnte Harm und Fritz fast nicht mehr erkennen. Ich rief nach den beiden und dann sahen wir zu, dass wir uns so langsam aber stetig wieder auf den Weg zurückmachten.Warum müssen wir denn schon wieder zurück?“, fragte Fritz, „es ist doch noch nicht so spät.“ Aber der Nebel wurde immer dichter und wir mussten sehen, dass wir unsere Fußspuren von vorher wiederfanden. Aber wir waren ja auch kreuz und quer gelaufen und Harm bekam es mit der Angst zu tun, dass wir den Weg zurück verlieren könnten und das dauerte auch gar nicht lange, da hatten wir unsere Fußspuren ganz verloren.

Wo wohl die anderen alle sind und ob die wohl einen Kompass haben? Dachte ich. Ich rief so laut ich konnte
und bekam auch bald Antwort. Wir stießen auf sieben oder acht andere Jungens und Mädchen und dann kamen noch etwa zehn dazu aber auch die hatten keinen Kompass. Eines der Mädchen fing schon an zu heulen und rief nach ihrer Mutter. Ich sagte, um den anderen Mut zu machen: „Lasst uns man singen, dann können die anderen uns hören und alle zusammenfinden wir den Weg bestimmt, wir haben ja noch Zeit genug.“ Und so brüllten wir uns die Angst von der Leber mit: „Das Wandern ist des Müllers Lust ...“ und so weiter.

Nach einiger Zeit, als es wieder etwas leiser wurde, verkündete ich: „Wir müssen auf die Priele achten, wo die herkommen, da müssen wir hin!“ Lasst uns man eine lange Reihe nach rechts und links machen und uns anfassen und jeder, der einen Priel mit ablaufendem Wasser sieht, der sagt Bescheid, aus welcher Richtung der kommt.“ Mit einem Mal war da doch ein Junge mit einem älteren Kompass von der Wehrmacht aber der wusste nicht recht, was er damit anfangen sollte. Aber das wussten wir! Harm sagte: „Die Nadel zeigt nach Norden und da ist die Insel Norderney aber wir müssen in die andere Richtung, wir müssen nach Süden und da ist der Deich.“

Es verging dann noch so etwa eine halbe Stunde und dann wurde der Schliek wieder weicher und ich fand zufällig unsere eigenen Fußspuren wieder und dann, nach etwa fünf Minuten, konnten wir hinten auch den Deich schimmern sehen. „Teufel nochmal, da haben wir aber Glück gehabt“, sagte ich zu Harm und Fritz.
„Warum Glück“, sagte Fritzi traurig, „wir haben unsere Beutel ja noch lange nicht voll.“

An der Innenseite vom Deich, an „unserem“ Haus, wo unsere Fahrräder standen, war eine Wasserpumpe und wir konnten uns die Arme und Füße reinigen und die Spritzer im Gesicht abspülen; zu Hause sollte ja niemand sehen, wo wir gewesen waren. Doch unsere Mutter hatte das schnell herausgefunden aber sie war ja froh, dass wir wieder zurück waren und geschimpft hat sie nur ein bisschen und mir etwas am Ohr gezogen.
Aber am nächsten Tag stand in der Zeitung: „Zwölfjähriger Junge rettet Gruppe Jugendlicher aus dem Watt.Und meine Mutter wurde ganz blass im Gesicht und konnte es gar nicht fassen, aber ich glaube, sie war auch etwas stolz auf uns!



       Johannes de Vries

..zurück zur plattdeutschen Geschichte 

Anmerkung:
Die Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit, auch der Namen, mit lebenden Personen wäre rein zufällig und ist nicht beabsichtigt.

..zurück zur Hauptseite
..zurück zur Titel-Übersicht

Lees un schriev ok Platt, dat lehrst du glatt!